Ob Goethe am Gardaseetourismus schuld ist? Jedenfalls sprach er von einer "herrlichen Naturwirkung" und war trotz einiger Imponderabilien begeistert vom "Lago". Seit Mitte des 19. Jahrhunderts kamen betuchte Reisende aus ganz Europa an den winterlichen (!!!) Gardasee, im Sommer waren die Hotels meist geschlossen. Zu heiß! Jahrzehnte später wurde "Camping" erfunden - und der Lago di Garda damit zum Lieblingsziel, insbesondere deutscher Urlauber.
Limone war ein Fischerdorf – stattliche 36 Berufsfischerlizenzen waren noch im Jahr 1932 vergeben. Ganz schön viel für ein kleines, bis dahin nur schwer erreichbares Dorf am Westufer des Gardasees.
Heute hingegen sind es nur noch wenige Fischer, die hinausfahren und Lavarello, Tinca, Aole, Sarde di Lago und manchmal den edlen Carpione aus den Netzen holen. Den steilen Hängen hatte man ein paar Terrassen für Olivenbäume abgetrotzt. Seit dem 18. Jahrhundert errichtete man mit viel Mühe „Limonaie“ in denen Zitrusbäume wuchsen. Bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts konnte man die Früchte für gutes Geld verkaufen. Tourismus gab es bis dahin nicht.
Das Reisen damals....
Freilich entdeckten Bildungsreisende den Gardasee, wie der oft zitierte Johann Wolfang von Goethe, der 1786 von Torbole und Malcesine aus diese „herrliche Naturwirkung“, dieses „köstliche Schauspiel“ bewunderte. Ferien oder Urlaub kannte man damals noch nicht. Die ersten „Touristen“ am Gardasee suchten Erholung, kamen gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Kur um in den milden Wintern zum Beispiel Lungenkrankheiten zu kurieren oder einfach den kalten deutschen Wintern zu entfliehen. Heute kaum vorstellbar: im Sommer waren die Hotels meist zu, winters wohnten dort Literaten wie Thomas oder Heinrich Mann, Franz Kafka oder der heute ein wenig in Vergessenheit geratene Literaturnobelpreisträger Paul Heyse – der war gleich zehnmal am See! Am südlichen Westufer, in Gardone, Toscolano und Salò entstanden daher seit den 1880er Jahren imposante Hotels wie das Grand Hotel Gardone. In Limone war „La Pergola“ die erste Adresse, Terrasse zum See, herrlicher Blick, beste Ausstattung. Die betuchten Reisenden damals konnten sich ein solches Hotel leisten, manche, wie Paul Heyse, hatten damals eine eigene „Villa“, oder, wie der bekannte Maler Michael Zeno Diemer, ein eigenes Segelschiff am Gardasee.
Bis 1931 erreichte man Limone nur mit dem Schiff oder auf engen Eselspfaden. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als andernorts Eisenbahnen gebaut wurden, fuhren auf dem Gardasee die ersten Dampfschiffe. Vergleicht man die Fahrpläne, stellt man übrigens staunend fest, dass alten „Piroscafi“ kaum langsamer waren, als heute.
Egal ob für Postkutschen oder später Autos: eine Straße führte erst 1931 nach Limone, als die Gardesana mit ihren abenteuerlichen Kurven und vielen Tunnels mit viel Aufwand durch die Felsen gehauen wurde. So kurvig, dass dort sogar die wilde Verfolgungsjagd für einen James-Bond-Film gedreht wurde.
Endlich Ferien!
Bald nach dem Zweiten Weltkrieg fingen die Deutschen an, den Gardasee für ihre Ferien zu entdecken. Das sogenannte Wirtschaftswunder ermöglichte die Mobilität und die Orte am Gardasee profitierten davon. Die Fischerfamilien begannen, Zimmer zu vermieten und die Fischerboote wurden zumindest tagsüber für Vergnügungstouren der Gäste genutzt.
Camping war eine neue Art des Urlaubs, die für viele erschwinglich war. Touropa (heute TUI) organisierte Busfahrten an den Gardasee, stellte die Zelte, gekocht wurde noch in Militärküchen, wie sich Jimmy aus Limone erinnert. Bald aber kamen die Touristen auch mit dem eigenen Zelt und dem eigenen Auto – oft ein VW Käfer, wie das Foto eines Campingplatzes in Limone aus den frühen 1960er Jahren zeigt.
Die Zitronen wurden jetzt nur noch an Touristen verkauft, exportiert wurden sie schon lange nicht mehr, viele „Limonaie“ verfielen und so manche mussten auch Hotels weichen, die seit den 1960er Jahren gebaut wurden. Die Besucher wurden anspruchsvoller, so manch einer mochte nicht mehr im Zelt wohnen, die aufstrebende Gastronomie bot den Besuchern aus Deutschland ihren gewohnten „Deutsch Kaffee“ an, es gab einen „Damen und Herrenfriseur“, es gab Wurstel con Crauti und Erdinger Weißbier.
Zumindest die Bayern betrachteten den Gardasee bald als „ihren“ See. Wenn südbayerische Zeitungen sommers von den „Badetemperaturen unserer (!!!) Seen“ berichten, findet man dort einträchtig neben dem Ammersee auch den Gardasee genannt und die lokale Wettervorhersage reicht bis Verona. Und weil der Gardasee halt so arg „deutsch“ oder „bayrisch“ war – Bayrische Badewanne wird er schon mal genannt – fuhren so manche lange Zeit einfach an ihm vorbei. In die Toskana zum Beispiel, wo man das ursprüngliche Italien und Kultur zu finden gedachte. Doch am Gardasee passierte gar nicht das, was viele befürchteten. Klar, Garda, so titulierte die erste Ausgabe der deutschsprachigen „Gardasee-Zeitung“, sei “im Sommer eine deutsche Stadt“. Dennoch, auch mangels Platz sind dem Gardasee Hotelburgen, wie sie andernorts entstanden, weitestgehend erspart geblieben. Der Gardasee mit seinen malerischen Uferorten ist typisch geblieben, Auswüchse sind selten.
In Limone zum Beispiel hat man die Limonaie restauriert und für Besucher geöffnet. Die Geschichte des Fischfangs ist im anschaulich gemachten kleinen Fischerei-Museum beim Rathaus dokumentiert. Historische Fotos sieht man da, traditionelle Fischerboote, Netze und allerlei anderes Gerät. Und dem Tourismus hat der kleine Ort Limone sogar ein Museum gewidmet, das im alten Rathaus mitten im Ort zu bestaunen ist.
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